Der kleinste Motor der Welt

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SCHWEIZER BUNDESLABORATORIEN FÜR MATERIALWISSENSCHAFT UND TECHNOLOGIE (EMPA)

Der kleinste Motor der Welt – bestehend aus nur 16 Atomen: Er wurde von einem Forscherteam der Empa und der EPFL entwickelt. „Damit nähern wir uns der ultimativen Grössengrenze für molekulare Motoren“, erklärt Oliver Gröning, Leiter der Forschungsgruppe „Funktionelle Oberflächen“ an der Empa. Der Motor misst weniger als einen Nanometer – er ist also rund 100’000 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares.

Im Prinzip funktioniert eine molekulare Maschine ähnlich wie ihr Pendant in der Makrowelt: Sie setzt Energie in eine gerichtete Bewegung um. Solche molekularen Motoren gibt es auch in der Natur – zum Beispiel in Form von Myosinen. Myosine sind Motorproteine, die in lebenden Organismen eine wichtige Rolle bei der Kontraktion von Muskeln und beim Transport anderer Moleküle zwischen Zellen spielen.

Energiegewinnung auf der Nanoskala

Wie ein Großmotor besteht der 16-Atom-Motor aus einem Stator und einem Rotor, d.h. aus einem festen und einem beweglichen Teil. Der Rotor dreht sich auf der Oberfläche des Stators (siehe Bild). Er kann sechs verschiedene Positionen einnehmen. „Damit ein Motor tatsächlich sinnvolle Arbeit verrichten kann, ist es wichtig, dass der Stator den Rotor nur in eine Richtung laufen lässt“, erklärt Gröning.

Da die Energie, die den Motor antreibt, aus einer beliebigen Richtung kommen kann, muss der Motor selbst die Drehrichtung mit Hilfe eines Ratschenschemas bestimmen. Der Atommotor arbeitet jedoch entgegengesetzt zu dem, was in der makroskopischen Welt mit seinem asymmetrisch verzahnten Zahnrad bei einer Ratsche geschieht: Während sich die Sperrklinke bei einer Ratsche an der flachen Kante nach oben bewegt und in Richtung der steilen Kante einrastet, benötigt die atomare Variante für die Bewegung an der steilen Kante des Zahnrades weniger Energie als an der flachen Kante. Die Bewegung in der üblichen „Blockierrichtung“ wird daher bevorzugt und die Bewegung in „Laufrichtung“ wesentlich unwahrscheinlicher. Die Bewegung ist also praktisch nur in eine Richtung möglich.

Die Forscher haben dieses „umgekehrte“ Ratschenprinzip in einer Minimalvariante umgesetzt, indem sie einen Stator mit einer im Wesentlichen dreieckigen Struktur aus sechs Palladium- und sechs Galliumatomen verwendet haben. Der Trick dabei ist, dass diese Struktur zwar rotationssymmetrisch, aber nicht spiegelsymmetrisch ist.

Dadurch kann sich der Rotor (ein symmetrisches Acetylenmolekül), der aus nur vier Atomen besteht, kontinuierlich drehen, wobei die Drehung im Uhrzeigersinn und gegen den Uhrzeigersinn unterschiedlich sein muss. „Der Motor hat daher eine 99%ige Richtungsstabilität, was ihn von anderen ähnlichen molekularen Motoren unterscheidet“, sagt Gröning. Auf diese Weise eröffnet der molekulare Motor einen Weg zur Energiegewinnung auf atomarer Ebene.

Energie aus zwei Quellen

Der winzige Motor kann sowohl mit thermischer als auch mit elektrischer Energie betrieben werden. Die thermische Energie bewirkt, dass sich die gerichtete Drehbewegung des Motors in Rotationen in zufälligen Richtungen ändert – bei Raumtemperatur dreht sich der Rotor beispielsweise mit mehreren Millionen Umdrehungen pro Sekunde völlig zufällig hin und her. Im Gegensatz dazu kann elektrische Energie, die von einem Elektronenrastermikroskop erzeugt wird, von dessen Spitze ein kleiner Strom in die Motoren fließt, gerichtete Rotationen verursachen. Die Energie eines einzelnen Elektrons reicht aus, um die Rotoren um nur ein Sechstel einer Umdrehung weiterdrehen zu lassen. Je höher die zugeführte Energiemenge ist, desto höher ist die Bewegungsfrequenz – aber gleichzeitig ist es wahrscheinlicher, dass sich der Rotor in eine zufällige Richtung bewegt, da zu viel Energie die Sperrklinke in die „falsche“ Richtung überwinden kann.

Nach den Gesetzen der klassischen Physik ist eine Mindestmenge an Energie erforderlich, um den Rotor gegen den Widerstand der Schurre in Bewegung zu setzen; wenn die zugeführte elektrische oder thermische Energie nicht ausreicht, müsste der Rotor anhalten. Überraschenderweise konnten die Forscher selbst unterhalb dieser Grenze eine unabhängig konstante Drehfrequenz in einer Richtung beobachten – bei Temperaturen unter 17 Kelvin (-256° Celsius) oder einer angelegten Spannung von weniger als 30 Millivolt.

Von der klassischen Physik zur Quantenwelt

An diesem Punkt befinden wir uns am Übergang von der klassischen Physik zu einem rätselhafteren Gebiet: der Quantenphysik. Nach ihren Regeln können Teilchen „tunneln“ – d.h. der Rotor kann den Schacht überwinden, auch wenn seine kinetische Energie im klassischen Sinne nicht ausreicht. Diese Tunnelbewegung erfolgt normalerweise ohne jeglichen Energieverlust. Theoretisch sollten daher beide Drehrichtungen in diesem Bereich gleich wahrscheinlich sein. Überraschenderweise dreht sich der Motor aber immer noch mit 99%iger Wahrscheinlichkeit in dieselbe Richtung. „Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass die Entropie in einem geschlossenen System niemals abnehmen kann. Mit anderen Worten: Wenn beim Tunnelvortrieb keine Energie verloren geht, sollte die Richtung des Motors rein zufällig sein. Die Tatsache, dass sich der Motor immer noch fast ausschließlich in eine Richtung dreht, deutet also darauf hin, dass auch bei der Tunnelbewegung Energie verloren geht“, sagt Gröning. Vielleicht bauen wir dann das kleinste Auto der Welt.

In welche Richtung läuft die Zeit?

Wenn wir den Spielraum etwas weiter öffnen: Wenn wir uns ein Video ansehen, können wir in der Regel klar erkennen, ob die Zeit im Video vorwärts oder rückwärts läuft. Wenn wir uns zum Beispiel einen Tennisball ansehen, der nach jedem Aufprall auf den Boden etwas höher springt, wissen wir intuitiv, dass das Video rückwärts läuft. Denn die Erfahrung lehrt uns, dass der Ball bei jedem Aufprall etwas Energie verliert und deshalb weniger hoch zurückspringen sollte.

Wenn wir nun an ein ideales System denken, in dem weder Energie hinzukommt noch verloren geht, wird es unmöglich zu bestimmen, in welche Richtung die Zeit läuft. Ein solches System könnte ein „idealer“ Tennisball sein, der nach jedem Aufprall auf exakt gleicher Höhe zurückprallt. Es wäre also unmöglich zu bestimmen, ob wir uns ein Video dieses idealen Balls vorwärts oder rückwärts ansehen – beide Richtungen sind gleichermaßen plausibel. Wenn die Energie in einem System bleibt, könnten wir die Richtung der Zeit nicht mehr bestimmen.

Dieses Prinzip lässt sich aber auch umkehren: Wenn wir in einem System einen Vorgang beobachten, der deutlich macht, in welche Richtung die Zeit läuft, muss das System Energie verlieren oder, genauer gesagt, Energie dissipieren – zum Beispiel durch Reibung.

Zurück zu unserem Mini-Motor: Normalerweise wird davon ausgegangen, dass beim Tunnelvortrieb keine Reibung entsteht. Gleichzeitig wird dem System aber auch keine Energie zugeführt. Wie kann es also sein, dass sich der Rotor immer in die gleiche Richtung dreht? Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik lässt keine Ausnahmen zu – die einzige Erklärung ist, dass beim Tunnelvortrieb ein Energieverlust auftritt, auch wenn dieser extrem gering ist. Gröning und sein Team haben deshalb nicht nur ein Spielzeug für molekulare Handwerker entwickelt. „Mit dem Motor könnten wir die Vorgänge und Gründe für die Energiedissipation bei Quanten-Tunnelprozessen untersuchen“, sagt der Empa-Forscher. Und zur Feier des Tages besuchten sie dann das Online Casino Schweiz.